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Zum Referentenentwurf des Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG)

Thema

Digitalisierungsgesetz: „Disziplinarverfahren gegen die IT-Branche“

In dieser Woche läuft die erste Verbändeanhörung zum neuen Digitalisierungsgesetz. Die Kritik aus der IT-Industrie reißt derweil nicht ab: Das Vorhaben sei „ein Disziplinarverfahren“ gegen die IT-Branche, kritisiert der Geschäftsführer eines großen PVS-Herstellers.

medatixx-Chef Naumann: „Wir können nicht erkennen, dass mit dem Gesetz die tatsächlichen Gründe für die unverändert schleppende Verbreitung der TI-Anwendungen in der Versorgung adressiert werden.“

Der Gesetzgeber lade die Verantwortung für die schleppende Einführung der Anwendungen der Telematikinfrastruktur zu Unrecht bei den IT-Herstellern ab, kritisiert der Geschäftsführer des PVS-Anbieters medatixx, Jens Naumann, im Gespräch mit dem änd. Die Politik unterstelle der Industrie mit ihrem Gesetzentwurf, dass sie die TI-Funktionen nicht rechtzeitig liefere und zudem ihren Kunden zu deren Schaden nur ihre eigenen Produkte verkaufe. Dies will das Bundesgesundheitsministerium mit den geplanten gesetzlichen Regelungen ändern.

So richtet sich der neue Paragraf 332a SGB V gegen das Vorgehen der meisten Softwareanbieter zur aktiven Empfehlung von TI-Diensten bestimmter Anbieter, die mit ihren Praxisverwaltungssystemen nach eingehenden Tests gut integriert zusammenarbeiten und für die sie ein integriertes Servicekonzept aus einer Hand anbieten. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Anbieter und Hersteller von IT-Systemen „die diskriminierungsfreie Einbindung aller Komponenten und Dienste, die von der Gesellschaft für Telematik zugelassen sind“, sicherstellen müssen. Diese Einbindung soll für die Anwender ohne jegliche Zusatzkosten erfolgen. So schreibt das Gesetz unter anderem vor, dass IT-Hersteller von den Vertragsärzten kein Geld dafür verlangen dürfen, wenn sie diesen dabei helfen, woanders gekaufte IT-Komponenten in ihr PVS zu integrieren und diese dann supporten.

„Wenn Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet werden sollen, Produkte und Dienstleitungen kostenlos zu liefern und zu erbringen, dann ist das ein äußerst merkwürdiges Selbstverständnis von Marktwirtschaft“, wundert sich medatixx-Chef Naumann.

Das Gesetz gehe schlicht am Thema vorbei. Naumann: „Wir können nicht erkennen, dass mit dem Gesetz die tatsächlichen Gründe für die unverändert schleppende Verbreitung der TI-Anwendungen in der Versorgung adressiert werden.“

Am kritischsten blicke seine Branche auf den geplanten Paragraf 332b SGB V. Dieser soll der Kassenärztlichen Bundesvereinigung das Recht einräumen, eigene Rahmenverträge mit PVS-Herstellern abzuschließen. Dies hält Naumann für unnötig. Schließlich gebe es schon heute sehr umfassende und detaillierte Zertifizierungsvorgaben für die Anbieter, die von der KBV zu prüfen sind.

Unweigerlich würde die KBV durch die geplante Regelung in einen Interessenkonflikt geraten: Sie sei zum einen ein vom Gesetzgeber beauftragter neutraler Zertifizierer aller Anbieter, soll aber zugleich Rahmenvereinbarungen mit selbstausgewählten Anbietern abschließen dürfen, die sie dann bei den Ärzten bevorzugt bewirbt.  Naumann: „Wir halten es ordnungspolitisch für hochgradig bedenklich, dass die KBV als Körperschaft des öffentlichen Rechts einerseits neutrale Zertifizierungsaufgaben für alle Anbieter erfüllt und andererseits den Vertragsärzten aktive Empfehlungen für eine Software aussprechen soll.“ Dies widerspreche klar den Aufgaben der KBV, die als Organ der Selbstverwaltung der Neutralität verpflichtet sei.

So etwas öffne Wettbewerbsverzerrungen Tür und Tor, ist sich der medatixx-Chef sicher. Zumal der Gesetzentwurf weder definiere, zu welchen Bedingungen diese Rahmenvereinbarungen getroffen werden sollen, noch ob diese offengelegt werden müssen. Es gebe also keinerlei Transparenz. Die Forderung der IT-Industrie laute daher, den Paragrafen zu streichen oder zumindest die Bedingungen für die Rahmenverträge klar zu definieren und deren Offenlegung zu regeln. Zudem müsse es jedem Anbieter, der die Bedingungen erfüllt, offenstehen, diesem Rahmenvertrag diskriminierungsfrei beizutreten.

Das Gesetzesvorhaben wird als „ein Disziplinarverfahren“ gegen die IT-Branche wahrgenommen, berichtet Naumann. Das BMG folge mit seinem Entwurf der stetigen Argumentation der Gematik, wonach die IT-Industrie der Hauptschuldige an der mangelnden Verbreitung der TI-Anwendungen und der geringen Akzeptanz insbesondere bei den Ärzten sei. Dies sei deutlich zu kurz gesprungen und ignoriere die eigentlichen Gründe.


23.08.2022 09:10, Autor: mm, © änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG
Quelle: https://www.aend.de/article/219449

Weiterführende Info:
Stellungnahme des bvitg zum KHPflEG

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